Die E-Rechnung kommt mit Beginn 2025 auch im deutschen Gesundheitswesen an – zum Leidwesen vieler Krankenhäuser. Obwohl mit der Umstellung auf die elektronische Rechnung viele Herausforderungen einhergehen, sollten Gesundheitsorganisationen die schrittweise Einführung als Chance sehen. Die Ära nach der Papierrechnung kann nämlich nicht nur positive Folgen für die Finanzabteilungen haben, sondern auch der Startschuss für eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie sein. Und damit als Möglichkeit verstanden werden, die Organisation auf neue Grundsäulen zu stellen.
Als der Bundesrat am 22. März 2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt hat, dürften einige Unternehmer in Deutschland ein Lächeln im Gesicht gehabt haben. Verbesserung der Wachstumschancen, Förderung von Investitionen und Innovationen, dazu Steuervereinfachungen und mehr Steuerfairness – auf dem Papier verspricht das Gesetz einiges.
Die meisten Unternehmen und Organisationen dürften sich aber wahrscheinlich mit der Kehrseite der Medaille beschäftigt haben, denn mit der Verabschiedung rollt vor allem eines auf die Akteure zu: jede Menge Arbeit. Besonders die künftige Pflicht zum Empfang (ab 2025) und Versand (ab 2027) elektronischer Rechnungen im B2B-Bereich bereitet vielen Kopfschmerzen, allen voran den Akteuren im Gesundheitswesen, die sich seit Jahren im Krisenmodus befinden. Erst Corona, dann Ukraine-Krieg, Energie-Krise und Inflation. Hinzu kamen regulatorische Eingriffe. Ob mit der Medical Device Regulation (MDR), dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) – die Gesetzgeber haben die Rahmenbedingungen im Gesundheitsökosystem in kürzester Zeit grundlegend verändert und die Akteure vor Herausforderungen gestellt, die sie nicht mal eben im Vorbeigehen meistern können.
Für die ohnehin schon angeschlagenen Krankenhäuser, denen neben den finanziellen Mitteln auch die Zeit fehlt, um Projekte wie die Umstellung der Rechnungsverarbeitung anzugehen, ist das Wachstumschancengesetz auf den ersten Blick daher eine zusätzliche Belastung. Viele Kliniken und Pflegeeinrichtungen verfügen weder über die finanziellen Ressourcen, geschweige denn über die technische Infrastruktur, um die elektronische Rechnung einzuführen. Kaum Geld, noch weniger Zeit und heterogene Einzellösungen statt interoperabler Prozesse – Gesundheitsorganisationen bringen heutzutage nicht gerade die idealen Voraussetzungen mit, um bahnbrechende Neuerungen auf den Weg zu bringen.
Enge Budgets und proprietäre IT-Infrastrukturen sind allerdings nicht die einzigen Bremsklötze, auch die Anforderungen an die Datensicherheit sind im Gesundheitswesen so hoch wie in kaum einer anderen Branche. Krankenhäuser müssen bei der Einführung der E-Rechnung nicht nur sicherstellen, dass die hochsensiblen personenbezogenen Patientendaten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) jederzeit geschützt sind, sondern auch die Vorgaben der MDR und der In Vitro Diagnostic Regulation (IVDR) berücksichtigen. Die Rückverfolgbarkeit medizinischer Produkte ist ohnehin schon eine Herkulesaufgabe – und sie wird mit Einführung der elektronischen Rechnung nicht kleiner.
Die hohen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit gelten übrigens nicht nur für personenbezogene Daten, sondern auch für Rechnungs- und Finanzdaten, die ab 2025 digital erfasst und archiviert werden müssen. Bei der Wahl der richtigen Technologie für die Abwicklung elektronischer Rechnungen sind Krankenhäuser deshalb gut beraten, auf digitale Lösungen zu setzen, die hohe und robuste Sicherheitsstandards aufweisen. Datenübertragungen sowie die Speicherung der Daten sollten jederzeit gesichert sein, um die Vorgaben der E-Rechnung gemäß des Wachstumschancengesetzes zu erfüllen.
Was ebenfalls nicht verschwiegen werden darf, ist der administrative Aufwand, der hinter der Einführung der elektronischen Rechnung steckt. Es geht nicht nur um die Aufrüstung der Systeme, die die strengen Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit erfüllen müssen, sondern auch um die Umstellung etablierter Arbeitsabläufe in den Verwaltungs- und Finanzabteilungen. Der Faktor Mensch, also die Mitarbeiter, die unmittelbar von der Umstellung auf die E-Rechnung betroffen sind, ist eine Variable, die Krankenhäuser bei der Einführung nicht vergessen dürfen.
Erklären Sie mich für verrückt, aber ich rate Ihnen trotz aller Herausforderungen die E-Rechnung als Chance zu sehen. Für Krankenhäuser ist Einführung elektronischer Rechnungen mit Arbeit und Kosten verbunden, langfristig werden sich die Investitionen aber auszahlen – und da können Sie mich wörtlich nehmen.
Durch die Umstellung auf digitale Prozesse entfallen beispielsweise die Kosten für das Drucken, das Versenden und das Aufbewahren von Papierrechnungen. Gesundheitsorganisationen mit einer hohen Anzahl an Transaktionen können durch die Umstellung jährlich sechsstellige Summen einsparen. Während die Kosten für die manuelle Bearbeitung einer einzigen Rechnung auf 14 bis 20 Euro pro Rechnung geschätzt werden, liegen sie bei einer digitalen Bearbeitung laut unseren Analysen nur zwischen 2 und 7 Euro.
Wie hoch die tatsächlichen Einsparungen sind, hängt nicht nur den Ausnahmen ab, die während der Rechnungsbearbeitung festgestellt werden, sondern auch vom jeweiligen Prozess. Wenn bereits ein Bestellanforderungsprozess etabliert ist, wird der Auftrag durch eine vorab genehmigte Bestellung (PO) ausgelöst, die an den Lieferanten gesendet wird. Bei Aufträgen außerhalb des geregelten Bestellprozesses wird vom Lieferanten eine Rechnung ohne PO, auch Aufwandsrechnung genannt, gesendet, die mehr Aufwand erfordert und dementsprechend auch höhere Kosten verursacht.
Mit einer Automatisierung der Rechnungsprozesse reduzieren sich allerdings nicht nur die Kosten, sondern auch der Zeit- und Ressourcenaufwand für die Rechnungsstellung oder -verarbeitung. Mitarbeiter in den Finanzabteilungen werden merklich entlastet und können sich mehr auf strategische Aufgaben konzentrieren. Hier ergibt sich ein enormes Potenzial für eine verbesserte Ressourcenallokation, die zu einer Erhöhung der betrieblichen Effizienz führt.
Ein weiterer Vorteil von elektronischen Rechnungen sind schnellere Zahlungszyklen – ein Szenario, das vor allem für finanziell angeschlagene Gesundheitsorganisationen überlebenswichtig sein kann. Werden Rechnungen von Lieferanten pünktlich bezahlt, können sich Krankenhäuser ausgehandelte Skontovereinbarungen sichern. Ein gutes Beispiel ist das Universitätsklinikum Düsseldorf, das durch die Zusammenarbeit mit GHX und die damit verbundene Umstellung auf die elektronische Rechnung pro Jahr sechsstellige Summen einspart.
Darüber hinaus bietet die E-Rechnung die Chance, die Komplexität im Lieferanten-Management zu reduzieren. Krankenhäuser, die oft mit Lieferanten aus verschiedenen Ländern zusammenarbeiten, die wiederum individuelle Vorgaben und Steuerstrukturen berücksichtigen müssen, sind durch die Nutzung der richtigen Lösung in der Lage, die Vorschriften bzgl. Mehrwertsteuer und anderer Parameter einzuhalten – und zwar ohne großen Aufwand, der bei manuellen Abläufen entsteht.
Die Rationalisierung der Finanzvorgänge geht mit einer schnelleren Bearbeitung, aber auch mit weniger Fehlern einher. Automatisierte Prozesse reduzieren das Risiko von menschlichen Fehlern und führen zudem zu mehr Transparenz, die nötig ist, um Betrug vorzubeugen. Eine Dokumentation aller Finanzvorgänge und integrierte Prüfprotokolle helfen allerdings nicht nur dabei, betrügerische Machenschaften aufzudecken, sie eignen sich auch, um behördliche Strafen zu vermeiden. Das fördert die finanzielle Gesundheit der Organisation, die neben Zeit auch jede Menge Geld einspart.
Krankenhäuser sollten die mit der E-Rechnung verbundenen Kosteneinsparungen allerdings nicht nur als operative Gewinne betrachten, sondern auch als Mittel, die in die Medizintechnik oder Innovationen reinvestiert werden können. Durch den Wegfall mühseliger Tätigkeiten, die Zeit und Nerven kosten, können sich die Mitarbeiter der Finanzabteilungen auf wirklich sinnstiftende Aufgaben konzentrieren. Damit fördern Gesundheitsorganisationen die Selbstbestimmung ihrer Belegschaft im Sinne des New-Work-Ansatzes und gehen so proaktiv den Fachkräftemangel an.
Mit Blick auf die Modernisierung der IT-Infrastruktur eignen sich Investitionen in die Förderung der elektronische Patientenakte (ePA), aber auch kostenintensive Bereiche wie die Telemedizin oder digitale Patientenüberwachungssysteme empfehlen sich für eine Finanzspritze. Die Investition in derartige Technologien wirkt sich unmittelbar auf die Patientenversorgung aus. Diagnosen können schneller gestellt, individuellere Pflegeleistungen unkompliziert ermöglicht werden.
Mit Blick auf die gesetzlichen Fristen sowie die oben genannten Vorteile haben viele Gesundheitsorganisationen bereits damit begonnen, ihre Digitalisierungsstrategien auf die Einführung der elektronischen Rechnung auszurichten. Dabei gilt es, nicht nur die Infrastruktur-Upgrades zu planen, sondern auch die vorhandenen Ressourcen entsprechend zuzuweisen bzw. externe Dienstleister mit ins Boot zu holen.
Sie fragen sich, wie Sie dabei am besten vorgehen?
Folgen Sie diesem Fünf-Stufen-Plan, um sich bestmöglich auf die Einführung der E-Rechnung vorzubereiten und ihre Organisation nach der Ära der Papierrechnung auf ein digitales Zeitalter einzustimmen.
1. Analyse des Status Quo
Um die Vorschriften der elektronischen Rechnung erfolgreich zu meistern, benötigen Gesundheitsorganisationen eine klare Strategie. Der erste Schritt besteht darin, die derzeitigen Systeme zu prüfen und zu bewerten, um etwaige Lücken bei der Einhaltung der Vorschriften zu ermitteln. Machen Sie sich ein Bild davon, wo Sie mittel- bis langfristig Änderungen vornehmen müssen, um die neuen Anforderungen an die Rechnungsstellung und -verarbeitung zu erfüllen.
2. Bewahrung von Flexibilität und Skalierbarkeit
Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass sie eine externe Lösung für die Erfüllung der mit der E-Rechnung verbundenen Vorschriften benötigen, sollten Sie den Fokus nicht nur auf Kosten und Funktionalitäten legen. Behalten Sie auch die Skalierbarkeit der Lösung im Blick. Es gilt, nicht nur aktuelle Anforderungen zu erfüllen, sondern auch angemessen auf künftige Änderungen reagieren zu können. Schlüssel zum Erfolg sind cloudbasierte Systeme und Technologien, die Zugriff auf Echtzeit-Daten erlauben und Unternehmen in die Lage versetzen, flexibel zu bleiben.
3. Förderung der Interoperabilität
Bei einer Neugestaltung Ihrer IT-Infrastruktur ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie gewonnene Daten systemübergreifend nutzen können. Im Sinne einer interoperablen Verarbeitung und Verteilung von Produkt-, Finanz- und Personendaten müssen heterogene Insellandschaften durch nahtlose Datenflüsse und eine homogene IT-Infrastruktur abgelöst werden. Stellen Sie sicher, dass Ihre neue Lösung für die E-Rechnung mit anderen Systemen kompatibel ist.
4. Planung von Ressourcen
Die Einführung der E-Rechnung ist eine Chance für eine ganzheitliche Restrukturierung der IT-Infrastruktur und geht entsprechend mit jeder Menge Arbeit einher. Stellen Sie sicher, dass Sie für die Umstellung auf die elektronische Rechnung und allen damit verbundenen Projekte entsprechende Ressourcen einplanen. Dabei sollten Sie nicht nur Ihre Finanz- und IT-Teams einbinden, sondern neben der Rechtsabteilung auch alle Fachabteilungen ins Boot holen, die von den Veränderungen betroffen sein können.
Interdisziplinäre Teams sind unabdingbar, um neue Lösungen erfolgreich einzuführen. Der Austausch zwischen den Abteilungen kann dabei helfen, die Anforderungen besser zu verstehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Funktionsübergreifende Schulungen im Rahmen eines vollumfänglichen Change-Management-Prozesses sind keine Option, sondern zwingend notwendig, um einen reibungslosen Übergang auf neue Tools und Technologien zu gewährleisten.
5. Einführung revolutionärer Technologien
Die verpflichtende E-Rechnung bietet die einmalige Chance, bahnbrechende Innovationen einzuführen. Blockchain, künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen haben das Potenzial, die elektronische Rechnung effizienter, sicherer, aber auch kostengünstiger und damit leichter zugänglich zu machen. Diese Technologien helfen dabei, Prozesse effizienter zu gestalten, den Aufwand für die Einhaltung von Vorschriften zu verringern und die Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit auszuräumen – nicht nur im Bereich der E-Rechnung. Nutzen Sie Ihre Erfahrungen, um revolutionäre Technologien organisationsübergreifend einzusetzen und ihre Digitalisierungsstrategie entsprechend auszurichten.
Die Einführung der E-Rechnung und damit verbundener Technologien erfordert zwar Investitionen, die Kosten liegen allerdings deutlich unter den Einsparungen, die Krankenhäuser langfristig erzielen. Dabei geht es nicht nur darum, gesetzliche Sanktionen zu vermeiden. Durch die Automatisierung und Digitalisierung von Rechnungsprozessen können Gesundheitseinrichtungen ihre Verwaltungskosten drastisch senken und ihre Abläufe so effizient gestalten, dass die nachgelagerten Prozesse ineinandergreifen und letztendlich die gesamte Organisation profitiert.
Letztendlich ist die Einhaltung der Vorschriften mehr als nur eine gesetzliche Notwendigkeit – sie kann den Gesundheitsorganisationen ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Eine frühzeitige Anpassung ihrer Systeme und die Förderung interoperabler Prozesse im Zuge der verpflichtenden E-Rechnung führen langfristig nicht nur zu geringeren Kosten und einer höheren betrieblichen Effizienz. Sie können auch der Startschuss für eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie sein, mit der Sie Ihre Organisation krisensicherer aufstellen und einen wichtigen Beitrag für das wichtigste Ziel leisten: der Verbesserung der Patientenversorgung.
Joanna Chelimala, Senior Product Manager e-Invoicing bei GHX Europe, ist eine ausgewiesene Expertin für das Thema Interoperabilität und die rechtskonforme E-Rechnung. Mit ihrem umfassenden Wissensschatz und ihrem fundierten Verständnis der Anforderungen im Gesundheitswesen verfolgt sie das Ziel, erstklassige Produkte und funktionale Erweiterungen zu entwickeln, die den Akteuren im Gesundheitswesen helfen, ihre Ziele zu erreichen.